Hochwasser und anderen Katastrophen begegnen
Das Ahrtal-Hochwasser zeigte: Der Klimawandel macht sich deutlich schneller und stärker bemerkbar als gedacht. Daher müssen auch die Ansätze, die die Folgen des Klimawandels abmildern sollen, radikaler ausfallen als geplant. Das Team des Innopush-Projekts »RuLe – Resilienz urbaner Lebensräume« reagierte prompt und passte die Forschungen an die aktuellen Gegebenheiten an.
Ein Starkregen ließ im Sommer die Ahr und andere Bäche in Rekordtempo über die Ufer treten – sie rissen Brücken, Häuser, LKW und Autos mit sich und hinterließen ein Bild der Verwüstung. Ganze Dorfgemeinschaften verloren ihr Dach über dem Kopf und mussten in Turnhallen oder auf den Gästeliegen von Verwandten und Bekannten campieren, zahlreiche Menschen verloren gar ihr Leben. Hier setzt das Projekt Rule, kurz für »Resilienz urbaner Lebensräume« an. In dem interdisziplinär ausgerichteten Projekt untersuchen Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer FHR und der Fraunhofer-Institute IMS, LBF, IML, FKIE, INT und IAO an eben solchen Katastrophen die Fragestellung, wie man gestärkt darauf hervorgehen kann. Im Fokus standen die Szenarien »Tunnelbrand« und »Starkregenereignis«. Wie lassen sich etwa via Sensoren hilfreiche Informationen – beispielsweise zur Anwesenheit und Bewegung von Personen oder zur aktuellen Leistungsfähigkeit des Entwässerungssystems – bereitstellen, die sich Stand heute noch nicht rein sensorisch erfassen lassen? Die Forschenden unterschieden dabei drei Phasen: Vor dem Ereignis, das Ereignis selbst und den anschließenden Wiederaufbau der Infrastruktur, die möglichst resilienter sein sollte als vorher.
Die Hochwasserkatastrophe zeigte die Grenzen bisheriger Technologie auf
Aufgrund der aktuellen Situation leisteten die Fraunhofer-Institute auch Akuthilfe für die Einsatzkräfte: Das Fraunhofer FHR installierte Radarsensoren an der bruchgefährdeten Steinbachtalsperre, die die Stabilität des Dammes vermaßen, das Fraunhofer FKIE unterstützte bezüglich der Management-Infrastruktur, etwa bei der Lagebilddarstellung. Doch machte die Katastrophenlage auch sichtbar, wo zukünftig nachgebessert werden muss: So wurden zahlreiche technische Frühwarn- und Kontrollsysteme ausgehebelt. Ein Beispiel sind Radarfüllstandsensoren, die in den letzten Jahren an Brücken montiert wurden: Dabei befindet sich an einem Auslegearm eine kleine Antenne, die die Füllstände der Bäche misst und somit Prognosen zum Hochwasser erlaubt. Üblicherweise funktioniert das sehr gut – allerdings nur, solange das Wasser unter der Brücke hindurchfließt und die Brücke existiert. Beim Ahr-Hochwasser, das den bisherigen Höchststand mehr als verdoppelte, gingen jedoch viele ortsfeste Messstationen verloren. Die Katastrophenlage kann durchaus als Beispiel für künftige Hochwasser dienen – quasi als Blick in die Glaskugel, mit welchen Herausforderungen Städte und Gemeinden im Jahr 2050 oder 2060 rechnen müssen.
RuLe passte die Forschung an die Gegebenheiten an
Was also kann man aus dieser Katastrophe für die Zukunft lernen? Diese Frage stellten sich auch die Forscherinnen und Forscher im Projekt RuLe und entwickelten entsprechende Lösungskonzepte. So rückt in der Forschung statt des Einsatzes ortsfester Plattformen für die Warnsysteme, zunehmend mobile Systeme in den Fokus – etwa drohnenbetriebene oder tragbare Sensoren, die die Stabilität von Gebäuden bei Schadensereignissen überwachen. Ebenso zeigte sich im Ahrtal, dass der Einsatz von Satellitenkommunikation sehr gut funktionierte. Diese wird in zukünftigen Rettungssystemen weltweit eine immer größere Rolle spielen. Diese und vergleichbare Katastrophen zeigen, dass die Expertenteams der Fraunhofer-Institute die Forschung an die sich stark verändernden Umweltbedingungen immer wieder anpassen müssen. Die Frage, wie man Rettungskräften Informationen über die Standorte immobiler Menschen zukommen lassen kann – ad hoc und datenschutzkonform – bekommt hierbei ebenfalls eine ganz neue Bedeutung.
Ein weiterer Fokus neben Starkregenereignissen war das Szenario »Tunnelbrand«. Auch hier zeigt das Projektteam neue Systemansätze auf, die im urbanen Umfeld bislang noch nicht oder nur rudimentär umgesetzt wurden – z. B. im Bereich der Sensorik, die Detektion von Personen und deren Bewegung. Bei beiden Szenarien betrachteten die Forscherinnen und Forscher nicht nur einzelne Technologien oder ein konkretes Problem, sondern die komplette Kette – von der Planung über technische Lösungen bis hin zu einzelnen Abläufen. RuLe konnte somit sehr flexibel auf die Herausforderungen Starkregenereignissen oder Tunnelbrände reagieren.