Passiv-Radar steuert Nachtkennzeichung von Windkraftanlagen
Windenergie ist ein wichtiges Standbein der Energiewende. Jedoch sorgt insbesondere die nachts störende, rot blinkende Warnbeleuchtung für Ablehnung bei den betroffenen Bürgern im Umland. Das passive Radarsystem PARASOL zur bedarfsgerechten Nachtkennzeichnung, anerkannt durch die Deutsche Flugsicherung, kann hier ab sofort umweltverträglich und kostenbewusst Abhilfe schaffen.
Luftfahrthindernisse wie Windenergieanlagen müssen ab einer Höhe von über 100 Metern nachts durch rot blinkende Beleuchtung besonders gekennzeichnet werden. In den meisten Fällen ist dies nur in weniger als 1 - 2 Prozent der Zeit erforderlich, nämlich nur dann, wenn sich dem Windpark tatsächlich ein Luftfahrzeug nähert. Diese Luftfahrzeuge werden bei anderen auf dem Markt verfügbaren Systemen mittels aktiven Radaren erkannt. Da hier die sichtbare Strahlung der Beleuchtung durch unsichtbare Strahlung der aktiven Radare ersetzt wird, stoßen diese Systeme genauso auf Ablehnung wie die Beleuchtung. Das hat dazu geführt, dass aktuell angebotene aktive Systeme nicht den gewünschten Absatz finden. Das passive Radarsystem PARASOL, das in Zusammenarbeit mit dem Windparkbetreiber Dirkshof in Reußenköge und mit einer Förderung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) entwickelt wurde, ist eine bessere Lösung ohne zusätzliche Emmissionen.
Das System PARASOL
Das System PARASOL – PAssiv RAdar basierte Schaltung der Objektkennzeichnung für die Luftfahrt – nutzt zur Detektion von anfliegenden Luftfahrzeugen bereits vorhandene Rundfunk- und TV-Signale und gibt somit keine zusätzlichen elektromagnetischen Emissionen ab. Es sind daher keine teure Frequenzzuteilung und Standortbescheinigung nach § 4 BEMFV erforderlich. Die genutzten DVB-T, DVB-T2 und DAB+ Netze sind bereits flächendeckend verfügbar. So entstand ein besonders umweltverträgliches, kostenbewusstes und vor allem ein die Akzeptanz förderndes Warnsystem.
Das Fraunhofer FHR hat jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet des Passiv-Radars, insbesondere unter Nutzung der modernen digitalen Rundfunknetze. Durch die Auswahl von zuverlässigen Systemkomponenten und stabilen sowie realzeitlichen Algorithmen war es möglich, diese in den Anfängen als Machbarkeitsstudie begonnen Arbeiten zur Systemreife zu perfektionieren. Der krönende Abschluss war im Mai 2018 die Anerkennung des Systems durch die Deutsche Flugsicherung (DFS). Seitdem verrichtet die erste Installation im Windpark Reußenköge ihren Dienst und viele weitere werden folgen.
Die Funktionsweise
Im Windpark Reußenköge sind maßgeblich die Aussendungen der DVB-T2 Sender Flensburg und Kiel zu empfangen. Die Signale dieser Fernsehsender sowie die Echos dieser Signale an Luftfahrzeugen werden von den PARASOL-Sensoren aufgenommen. Dabei erfahren die Echosignale einen Zeitversatz durch den Umweg, den das Signal durchläuft, sowie eine Dopplerverschiebung bedingt durch die Bewegung des Luftfahrzeuges. Nach Rekonstruktion des ausgesendeten Signals wird dieses mit den empfangenen Echos korreliert und darüber die Parameter Umweg und Dopplerverschiebung gemessen. Zur genauen dreidimensionalen Ortung des Luftfahrzeugs wäre nun der Empfang an einem Sensor mit einer Antenne, die eine Richtungsbestimmung erlaubt möglich. Stattdessen wurde eine Anordnung von drei Sensoren gewählt, um die Verwendung eines einfachen Hardwareaufbaus zu erlauben, der ohne Wartung und umfangreiche Kalibration auskommt. Ein Sensor besteht jeweils aus einer einfachen Empfangsantenne, einer Empfangseinheit sowie einem handelsüblichen Rechner. Die Sensoren kommunizieren untereinander über ein Netzwerk im Windpark und bestimmen über ein Ellipsoidschnittverfahren die Position möglicher Luftfahrzeuge.
Im Windpark Reußenköge wurden zwei dieser Tripel installiert, um den gesamten Windpark mit einer Größe von etwa 120 Quadratkilometern abzudecken. Dabei wird mit einem Sensor eine einzelne Reichweite von bis zu 15 km gegenüber einem Luftfahrzeug mit einem Radarrückstreuquerschnitt von 1 Quadratmeter (Ultraleichtflugzeug) erreicht. Eine besondere Herausforderung war dabei die Entwicklung von zuverlässigen Verfahren, die eine Entdeckung dieser kleinen Ziele im Umfeld der rotierenden Windenergieanlagen erlauben.
Planung von PARASOL Installationen
Zur zielgerichteten Planung der PARASOL Installationen wurde eine Software erarbeitet, die es erlaubt bevorzugte Standorte für die Aufstellung der Passiv-Radar-Sensoren zu bestimmen. Der leichte Aufbau der Sensoren erlaubt es die Standorte frei und unabhängig von bestehenden Windenergieanlagen oder Gebäuden zu wählen. Die Sensoren können aber auch vorhandene Infrastrukturen nutzen und so in bestehende Begebenheiten integriert werden.
Weitere Verwendung von PARASOL
Als Detektor für kleine Luftfahrzeuge im Umfeld von Windenergieanlagen funktioniert PARASOL zuverlässig. Daher wird in der Zukunft am Fraunhofer FHR die Nutzung zur Detektion von Drohnen im Bereich des Objektschutzes untersucht. Hier besteht das Potential zur Verwendung von leichten mobilen Sensoren und mit einer weiterentwickelten Dislozierungssoftware, ein Überwachungssystem mit kurzer Inbetriebnahmezeit aufzubauen.