Selbstfahrende Autos: So kommen Sie sicher auf die Strasse
Langfristig, so vermuten viele Experten, könnten Autos selbständig durch die Straßen fahren. Allerdings erfordert dies die nötigen Sicherheitstechnologien – unter anderem Radarsensoren. Diese müssen zunächst auf mehreren Millionen Kilometern getestet werden, ein kaum zu stemmender Aufwand. Mit einem Radarzielsimulator lassen sich solche Tests erheblich einfacher und kostengünstiger durchführen.
Moderne Autos verfügen bereits heute über Radarsensoren, meist sind sie unter dem Firmenlogo oder im Stoßfänger verbaut. Hier sorgen sie für eine automatische Kollisions- oder Abstandskontrolle, so bremst das Auto im Tempomat-Betrieb etwa automatisch ab, wenn der Vordermann langsamer fährt. Bei autonom fahrenden Autos soll der Fahrer nicht nur unterstützt werden, sondern sich gänzlich anderen Dingen widmen können, während das Auto sich selbstständig zum Ziel bewegt. Die Radarsensoren, die dafür nötig sind, müssen jedoch deutlich strengere Rahmenbedingungen erfüllen: Bei mehreren Millionen gefahrenen Kilometern darf nur ein einziger Fehler auftreten. Bislang werden solche Radarsensoren getestet, indem sie in Autos verbaut und auf die Straße gebracht werden – ein extrem aufwändiges Prozedere.
Schnellere und kostengünstigere Tests
Die virtuelle Testumgebung »Automobile Testumgebung für Radar In-the-loop Untersuchungen und Messungen«, kurz ATRIUM, soll dies ändern – entwickelt wird sie am Fraunhofer FHR. Für die Tests wird kein Fahrer mehr benötigt, sie können daher erheblich schneller und kostengünstiger durchgeführt werden. Auch lassen sich wesentlich mehr Szenarien testen, und die Radarsysteme können bereits während ihrer Entwicklung unter realistischen Bedingungen überprüft werden. Das Prinzip: Radarsensoren strahlen während der Autofahrt Radarsignale aus, die an Objekten in der Umgebung – seien es Autos, Bäume oder Menschen – zum Radarsensor zurückreflektiert werden, man spricht dabei auch vom Echo. Aus diesen Echos lassen sich Entfernung, Geschwindigkeit und Richtung jedes Objekts errechnen. Der Radarzielsimulator des Fraunhofer FHR erzeugt diese Echos nun künstlich: Er empfängt die Radarsignale des zu testenden Sensors, ändert sie entsprechend und schickt sie wieder zurück. Der Simulator gaukelt dem Radarsensor also eine Fahrt durch eine virtuelle Umgebung vor, während tatsächlich alle Teile statisch im Labor stehen. Diese virtuelle Umgebung kann ebenso wie die reale Welt Autos, Menschen, Häuser und ähnliches umfassen.
Bis zu 300 Echos sind möglich
Das derzeitige System kann 16 Echosignale erzeugen, in dieser Version wurde es 2019 bereits auf der Messe Automotive Testing Expo Europe in Stuttgart vorgestellt. Es besteht aus einem Sender und einem Empfänger und ist somit einkanalig. Die Objekte können daher entlang einer Richtung simuliert werden, für verschiedene Entfernungen und Geschwindigkeiten. Um Autos, Personen und Co. möglichst realistisch darzustellen, werden pro Objekt mehrere Streuzentren genutzt: Denn bei einem Auto beispielsweise reflektieren die Stoßfänger, die Räder, die Radkästen und andere Komponenten auf ihre jeweils ganz eigene Weise. Momentan wird daran gearbeitet, den Sendeteil von ATRIUM, der bisher zugekauft wurde, durch ein hauseigenes Design zu ersetzen. Dann soll es mit entsprechenden Signalverarbeitungsverfahren möglich sein, eine wesentlich höhere Anzahl an Reflektionen zu generieren – statt 16 Echosignalen sollen es über 100 werden – und das Szenario damit noch realistischer wirken zu lassen. In einem dritten Schritt, der bis Ende 2020 abgeschlossen sein soll, werden diese Sender mehrfach aufgebaut. Durch geschickte Anordnung können sie aus verschiedenen Richtungen und Winkeln Echosignale erzeugen, insgesamt weit über einhundert. Virtuell heißt das: Die Fahrzeuge und Personen bewegen sich aus verschiedenen Richtungen auf das zu testende System zu oder von ihm weg.
Workflow für die Simulationen
So viele Szenarien und Simulationssignale zu erzeugen, geht mit einem großen Aufwand einher. Ein bereits funktionierender Workflow kann dies erheblich vereinfachen: Speist man CAD-Modelle von Autos und anderen Objekten sowie die Bewegungstrajektorien – also die Bewegung der Objekte über die Zeit gesehen – dort ein, berechnet das Simulationsprogramm die jeweils auftretenden Reflektionen. Ein Algorithmus verarbeitet diese Liste weiter und errechnet die Parameter, die der Radarzielsimulator braucht. Mit Hilfe dieses Workflows wird derzeit ein Szenarienkatalog erstellt, in dem relevante Szenarien hinterlegt sind.