Sicherheit

RAWIS schützt Rettungskräfte bei Katastrophen

	Repräsentativ für ein sich neigendes Gebäude wurde mit einer Seilwinde an einem Turm gezogen. Die Kurve zeigt für einen einzelnen Radarbildpunkt die Bewegung in Millimetern über 20 Sekunden.
© Fraunhofer FHR
Repräsentativ für ein sich neigendes Gebäude wurde mit einer Seilwinde an einem Turm gezogen. Die Kurve zeigt für einen einzelnen Radarbildpunkt die Bewegung in Millimetern über 20 Sekunden.
Das kompakte Unterstützungsradar erfasst Positionsveränderungen von Trümmerteilen die nicht im Erfassungsbereich des Hauptradars liegen mit Genauigkeiten im Mikrometerbereich.
© Fraunhofer FHR
Das kompakte Unterstützungsradar erfasst Positionsveränderungen von Trümmerteilen die nicht im Erfassungsbereich des Hauptradars liegen mit Genauigkeiten im Mikrometerbereich.
Typisches Einsatzszenario für RAWIS.
© Fraunhofer FHR
Typisches Einsatzszenario für RAWIS.

Jede Minute zählt, wenn verschüttete und schwer verletzte Personen bei Katastrophen gesucht und geborgen werden müssen. RAWIS unterstützt bei diesen hochgefährlichen Einsätzen die Rettungskräfte, indem es die Einsatzstelle lückenlos überwacht und sowohl rechtzeitig als auch individuell warnt, bevor es zum Einsturz von Trümmern kommt.

Katastrophenszenario

Bei Katastrophen muss es schnell gehen, denn oftmals sind Menschenleben in Gefahr. Deshalb können in unübersichtlichen, sich ständig ändernden Einsatzlagen Rettungskräfte selbst in große Gefahr geraten. Beschädigte Wände, herunterhängende Dachstühle und Trümmerstücke jeglicher Art können ins Kippen oder Rutschen kommen, so dass im schlimmsten Fall Einsatzkräfte selbst zu Schaden kommen. Durch das Abtragen von Trümmern und bei der Suche nach Verschütteten ändert sich zudem permanent die Gefahrenlage, wodurch innerhalb kürzester Zeit vermeintlich stabile Trümmerteile instabil werden und einstürzen können.

Projekt RAWIS

Zum Schutz der Rettungskräfte bei Katastropheneinsätzen wurde im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt RAWIS (Radar- Warn- und Informationssystem für Anwendungen im Katastrophenschutz) ein Experimentalsystem erforscht und aufgebaut, welches die Einsatzstelle lückenlos überwacht und durch hochgenaue Messungen und individuelle personenbezogene Warnungen die Rettungskräfte bei der Gefährdungsbeurteilung unterstützt.

RAWIS besteht aus vier Säulen: angefangen vom 3D-MIMO-Hauptradar, welches großflächig die Einsatzstelle dreidimensional überwacht, über kleine akkubetriebene Unterstützungsradare, die punktgenau abgeschattete Trümmerteile überwachen, bis hin zu einem Funkortungssystem, welches jede einzelne Einsatzkraft sicher lokalisiert und dadurch individuell warnt, sowie einer Leitstelle, bei der alle Informationen zusammenfließen und graphisch dargestellt werden.

Radarsysteme

Das bildgebende Hauptradar ist für einen typischen Entfernungsbereich von wenigen Metern bis hin zu mehreren hundert Metern ausgelegt. Bei Testmessungen auf dem THW-Übungsgelände in Handorf konnten Bewegungen mit einer Genauigkeit von 30 µm sicher erkannt werden. Dabei wird die gesamte Einsatzstelle mit einer Messrate von bis zu 1 kHz überwacht. Speziell hierfür am Fraunhofer FHR entwickelte Antennen in SIW-Technologie beleuchten großflächig die Einsatzstelle, um sämtliche Bewegungen zu erfassen. Ausgeklügelte Methoden der Signalprozessierung garantieren, dass sämtliche irrelevante Bewegungen, wie z. B. verursacht durch Bergefahrzeuge, Rettungskräfte, Suchhunde oder sich im Wind bewegende Bäume, sicher erkannt und herausgefiltert werden. Zur Reduktion von Gewicht, Größe und Kosten wurde das MIMO-Prinzip angewandt, welches mittels eines stark ausgedünnten 2D-MIMO-Arrays die Einsatzstelle dreidimensional überwacht. Das MIMO-Array ist dabei aus einzelnen Sende- und Empfangsmodulen aufgebaut, so dass es beliebig erweiterbar ist, um beispielsweise die räumliche Auflösung für andere Einsatzszenarien zu erhöhen. Implementierte Methoden des »Compressive Sensing« garantieren sogar die Einsatzfähigkeit des MIMO-Systems auch dann, wenn durch die rauen Bedingungen während eines Einsatzes einzelne Antennen oder Module ausfallen sollten.

Die Unterstützungsradare dienen der Überwachung von Trümmerbewegungen, die für das Hauptradar in abgeschatteten und somit nicht einsehbaren Bereichen liegen. Die kameragroßen Sensoren werden durch die Helfer an den Einsatzort verbracht und dort auf potenziell gefährliche Trümmerteile ausgerichtet. Wird eine Bewegung oder auffällige Schwingung im Erfassungsbereich (ca. 30m) erkannt, werden entsprechende Messwerte an die Leitstelle gesandt, so dass der dort eingesetzte Bausachverständige das Risikopotenzial für die Einsatzkräfte einschätzen und ggf. bei Gefahr den Bereich räumen lassen kann. Sind die notwendigen Arbeiten in diesem Einsatzbereich durch die Einsatzkräfte vorgenommen worden, kann der Sensor in andere abgeschattete Bereiche verbracht werden. Auch ist der gleichzeitige Einsatz mehrerer Unterstützungsradare möglich. Das Besondere an den Unterstützungsradaren ist die höchstpräzise Entfernungsmessung durch die Verwendung von akkubetriebenen FMCW-Radarsensoren mit Reproduzierbarkeiten im Mikrometer-Bereich. Die verwendete »state-of-the-art« Hardware, zusammen mit einer im Sensor implementierten Signalverarbeitung, demonstriert das Potenzial einer miniaturisierten radarbasierten Sensorik als Handheld-Gerät für höchst präzise messtechnische Anwendungen.

Eine Besonderheit von Radarsensoren ist dabei, dass sie durch Regen, Nebel, Schnee, Staub und Rauch hindurchschauen und zudem Tag und Nacht eingesetzt werden können, was beim Beherrschen von Katastrophen ein enormer Vorteil gegenüber anderen Technologien ist.

Verbund

Dem aus acht Partnern bestehenden RAWIS-Konsortium gehören neben dem Fraunhofer FHR auch das Technische Hilfswerk (THW), die Universität Siegen, die Ruhr-Universität Bochum, die Firma indurad und als assoziierte Partner die Bundesstadt Bonn und die Firmen Elettronica und unival an.