Breitenbestimmung von Stahlbändern im Walzprozess – Radarsysteme im industriellen Einsatz
Konventionelle Messsysteme können unter den rauen Umgebungsbedingungen in Warmwalzstraßen häufig nicht eingesetzt werden. Das Fraunhofer FHR hat daher erstmalig mit der Firma IMS Messsysteme GmbH eine präzise Breitenmessung basierend auf Radartechnik entwickelt. Ein großer Vorteil des Systems ist die Einsatzfähigkeit selbst unter widrigsten Bedingungen
Harsche Umweltbedingungen und hohe Anforderungen
Güte und Effizienz in der Herstellung von Walzgütern sind eng mit der Entwicklung und Einsetzbarkeit von Messtechnik zur Walzprozessverfolgung und -regelung verknüpft. Verbesserungen an verfügbarer Messtechnik steigern gleichermaßen die Produktivität und verringern die Herstellungskosten. Die Breite von Stahlbändern ist ein grundlegender Parameter im Walzprozess. Aufgrund von Schmutz oder Dampf war eine Breitenmessung mit konventionellen Messsystemen nicht oder nur schwer an der essentiellen Prozessstufe zur Breitenregelung, dem Vorgerüst, möglich. Gleichzeitig sind die Anforderungen an Sensoren, auch unter diesen Rahmenbedingungen, sehr hoch. Neben der präzisen Messung sind Faktoren wie hohe Ausfallsicherheit im 24/7-Betrieb, Temperaturstabilität über einen Bereich von -10°C bis 55°C, Robustheit gegen Vibration und eine schnelle und einfache Integration in bestehende Anlagen nur einige Anforderungen an die Sensoren.
Bislang erfolgte die Regelung nur auf Basis von theoretischen Modellen und Erfahrungswerten. Doch Fehler, welche an diesem Punkt auftreten, können im weiteren Walzprozess nicht mehr korrigiert werden, da die Breite in den folgenden Prozessschritten kaum noch beeinflusst werden kann. Um sicherzustellen, dass die geforderte Sollbreite über die gesamte Länge des Bandes erreicht wird, wird das Band breiter gewalzt als notwendig und die überschüssige Breite am Ende des Walzprozesses entfernt. Diese Überbreite verursacht jährlich mehrere tausend Tonnen Stahl, die als sogenannter Saumschrott wieder eingeschmolzen werden. Hierdurch werden zusätzliche Ressourcen wie Energie, Material, Arbeitskraft und Maschinenstunden benötigt und es werden jährlich mehrere Tonnen CO2 zusätzlich produziert. Des Weiteren geht jeder Millimeter an Überbreite in der Länge des Bandes verloren und reduziert so die Ausbringung.
Um diese Lücke in der Prozessüberwachung zu schließen, hat das Fraunhofer FHR in Kooperation mit der IMS Messsysteme GmbH ein radarbasiertes Breitenmesssystem entwickelt. Zwei frequenzmodulierte Dauerstrichradare messen unabhängig voneinander die Distanz zu dem den Radarbeam passierenden Stahlband. Dazu werden sie seitlich des Rollgangs, sich gegenüberstehend, installiert. Eine Kalibrierung dient dazu, die beiden Distanzmessungen in Beziehung zueinander zu bringen und so die Breite sowie die Mittenposition des Bandes aus den Distanzmessungen bestimmen zu können.
Vom Labor ins Stahlwerk
Die Radarsysteme wurden im Prüffeld der IMS Messsysteme GmbH getestet. Analog zur späteren Einbausituation stehen sich dort zwei Radarsysteme in einem Abstand von 5 m einander gegenüber. Zwischen diesen befindet sich eine Verfahr-Einheit, die verschiedene Prüf- und Kalibrierkörper entlang der Achse zwischen den beiden Radareinheiten bewegt. Der Weggeber der Verfahr-Einheit, welcher auf ±60 µm zertifiziert ist, dient der Kontrolle der einzelnen Distanzmessungen. Drei zertifizierte Prüfkörper mit typischen am Vorgerüst vorkommenden Breiten dienen der Überprüfung der Messgenauigkeit des Breitenmesssystems als Ganzes. Die geforderte Messgenauigkeit am Vorgerüst von ± 1 mm konnte mit unter ± 0,5 mm für alle Breiten mehr als erfüllt werden. Abb. 2 zeigt die Differenz zwischen gemessenem und zertifiziertem Breitenwert.
Das radarbasierte Breitenmesssystem wurde in der Warmbandstraße am Vorgerüst der Salzgitter Flachstahl GmbH installiert und überprüft. Aufgrund der geringen Größe der Sensorik und der Unabhängigkeit der Einzelsensoren kann die Einbaugröße an die jeweiligen Messstellen angepasst werden. Abb. 1 zeigt die eingebaute Breitenmessung am Vorgerüst der Salzgitter Flachstahl GmbH. Dort werden Bänder zwischen ca. 800 und 2050 mm Breite und ca. 50 und 250 mm Dicke gewalzt. Hinter dem Vorgerüst, am Einlauf der Fertigstraße, befindet sich eine optische Breitenmessung der IMS Messsysteme GmbH. Abb. 3 zeigt beispielhaft ein Breitenprofil eines Bandes, das sowohl mit der Radarbreitenmessung als auch mit der optischen Breitenmessung erfasst wurde. Die Breitenprofile beider Systeme stimmen sehr gut überein. Die sehr rauen Umgebungsbedingungen am Vorgerüst beeinflussen die Breitenmessung nicht.
Zur weiteren Überprüfung der Messgenauigkeit wurde aus einem abgekühlten Vorband ein ca. 7 m langes Stück herausgeschnitten, wieder auf den Rollgang gebracht und wiederholt durch die Radarmessung gefahren und überprüft. Die Ergebnisse sind in Abb. 3 dargestellt. Es zeigte sich sowohl eine sehr gute Übereinstimmung zwischen der Radarmessung und der manuellen Messung, als auch eine hohe Wiederholgenauigkeit der Radarmessung.
Mit der Radartechnologie konnten erstmals die Hürden einer präzisen Breitenmessung für Warmbandstraßen überwunden werden. Anfang des Jahres 2017 wurde die vollständig industrialisierte Version der Radarbreitenmessung in Salzgitter installiert und in Betrieb genommen. Die Radarbreitenmessung misst seither zuverlässig, präzise und störungsfrei die Breite der Bänder im 24/7-Betrieb. Neben den genannten Vorteilen bietet das System die Möglichkeit, die Systemparameter individuell anzupassen, so dass die Radarmessung auch für andere Anwendungsbereiche sehr attraktiv ist.