Himmelsausschnitte systematisch beobachtet
GESTRAs Blick reicht weit: Das Weltraumradar verfolgt Objekte, die sich durch den erdnahen Orbit bewegen – seien es Satelliten oder Weltraumschrott. Durch einen zweiten Empfänger soll die Auflösung künftig noch weiter steigen.
Weltraumschrott kann zum gefährlichen Geschoss werden und Satelliten im All beschädigen oder gar zerstören. Das teilmobile Weltraumüberwachungsradar GESTRA – kurz für »German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar« – soll Abhilfe schaffen, indem es Objekte im All beobachtet und katalogisiert. Droht eine Kollision, kann der Satellit ein Ausweichmanöver fliegen. Entwickelt wurde GESTRA vom Fraunhofer FHR im Auftrag der deutschen Raumfahrtagentur im DLR für das ressortgemeine Weltraumlagezentrum von DLR und Bundeswehr.
Funktionsdemonstration nah am operativen Einsatz
Im Dezember 2023 konnte das Radarsystem seine Fähigkeiten unter Beweis stellen: Bei einer Funktionsdemonstration spielten die Mitarbeitenden des Weltraumlagezentrums alle Suchmoden und Trackingmoden, sprich alle Radarfähigkeiten, einmal durch und arbeiteten damit bereits sehr nah am geplanten operativen Einsatz. Während GESTRA bis dato nur kegelförmig in eine Richtung des Alls schaute und passierende Teile dreimal detektierte, beobachtete es nun systematisch Himmelsausschnitte von 40, 60 oder sogar 90 Grad. Um einen so großen Himmelsbereich abzudecken, musste das Radar immer wieder die Blickrichtung wechseln. Mit Erfolg: GESTRA detektierte kontinuierlich erfolgreich alle Teile, die diesen Korridor durchflogen. Einzelne Objekte konnte es über einen Zeitraum von mehreren Minuten verfolgen, indem es 50 bis 60 Detektionen nacheinander durchführte.
Höhere Auflösung mit GESTRA EUSST
Im Projekt GESTRA-EUSST soll die Auflösung des Radars um ein gutes Stück steigen: Dazu vernetzen die Forschenden GESTRA mit einer weiteren Empfangseinheit. Der in Österreich gefertigte und dort bereits mit Klima-, Strom- und Brandmeldetechnik teilintegrierte 18 x 4,1 x 4 m große Container, der diesen zusätzlichen Empfänger beherbergen soll, wurde im September 2023 an das FHR ausgeliefert. Auf der Liegenschaft in Wachtberg wird seitdem der Integrationsprozess fortgeführt und das System um die vom Fraunhofer FHR entwickelten Radarkomponenten erweitert. Die relevanten Radarkomponenten durchlaufen aktuell Qualifizierungs- und Abnahmetests. Im Jahr 2025 soll der Aufbau des GESTRA-EUSST Systems abgeschlossen und ein erster gemeinsamer Betrieb mit dem GESTRA-System realisiert werden.
Im Projekt »GESTRA-Vernetzung« steht die Zusammenschaltung von GESTRA-EUSST und GESTRA auf der Agenda. Einen Schwerpunkt des Projekts bilden Softwareentwicklung und Algorithmik. Dabei ist insbesondere die Synchronisierung der kooperierenden Radare eine knifflige Angelegenheit. Um die Radare miteinander in Einklang zu bringen, verfügen beide Systeme über synchron laufende Uhren: Die Abweichung der Uhrzeiten, die sich im Laufe der Monate einschlich, konnte durch umfangreiche Entwicklungen auf lediglich einige Nanosekunden reduziert werden! Die Algorithmen, die die Forschenden entwickeln, eignen sich keineswegs nur für GESTRA-EUSST: Sie sind von vorneherein so ausgelegt, dass sich darüber auch GESTRA-TX2 und weitere Sende- und Empfangseinheiten integrieren lassen.
Für 2024 ist eine Kalibrationskampagne geplant
Aus den Daten, die verschiedene Radare erzeugen, erstellt die Europäische Union mit der EUSST Datenbank, kurz für »EU Space Surveillance and Tracking«, einen Bahnkatalog von Objekten im nahen Weltraum. Doch dürfen nicht alle Radare ihre Daten einfach einspeisen – zuvor muss nachgewiesen werden, dass sie gewisse Qualitätsanforderungen erfüllen. Was GESTRA angeht, soll eine Kalibrationskampagne zu Beginn des Jahres 2024 die dafür erforderlichen Daten erstellen. Diese Hürde sollte GESTRA mit Leichtigkeit nehmen: Alle bisher durchgeführten Messungen erreichten sehr gute Werte.