Multifunktionale Hochfrequenz- und Radarsysteme (MFR)

Mine oder Schraube? Minensuche per Radar

© Fraunhofer FHR
Die obere Abbildung zeigt die Radarrohdaten des Antipersonenminensimulanten. Die mittlere Abbildung zeigt das Ergebnis eines Bildgebenden Algorithmus unter Verwendung nur einer Antenne, was bereits zu einem deutlichen Kontrastgewinn führt. Bei Verwendung aller multistatischen Kanäle wird das Objekt noch einmal deutlich fokussierter abgebildet (untere Abbildung).
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Die Bilder zeigen Tiefenschnitte unterschiedlicher Polarisationen für einen Minensimulant (oben) und Schrauben (unten). Ein gewöhnliches Radar würde nur die XX oder YY Polarisation sehen und die Objekte kaum unterscheiden können. Mit einem vollpolarimetrischen Radar stehen alle abgebildeten Daten zu Verfügung und können beispielsweise für eine Einfärbung (letzte Spalte) genutzt werden, wodurch eine Unterscheidung einfacher wird.

Minen und Sprengfallen fordern zahlreiche Leben. Mit Hilfe von Radar lassen sie sich im Boden aufspüren – doch werden dabei auch harmlose Gegenstände vielfach als Minen »erkannt«. Ein Radarsystem des Fraunhofer FHR soll diese Falsch-Positiv-Raten künftig senken.


Tausende von Menschen kommen Jahr für Jahr durch Landminen ums Leben – große Teile davon aus der Zivilbevölkerung. Neben diesen militärisch ausgebrachten Landminen fordern auch improvisierte Sprengfallen ihre Opfer: etwa mit explosivem Dünger gefüllte Kanister. Bodendurchdringendes Radar kann dabei helfen, diese tödlichen, im Boden verborgenen Waffen aufzuspüren, um sie dann unschädlich zu machen. Denn die Radargeräte senden elektromagnetische Wellen aus, die vom Boden und darin vergrabenen Gegenständen in unterschiedlichem Maße reflektiert werden. Der Haken an der Sache: Die Daten geben vielfach keinen Aufschluss darüber, ob es sich bei einem Gegenstand um eine Landmine oder aber um ein paar Schrauben oder ähnlich unbedenkliche Objekte handelt – die Falsch-Positiv-Rate ist insbesondere bei nassen und inhomogenen Böden recht hoch. Dies geht mit einer längeren Bergungsdauer und höheren Kosten einher: Gräbt man eine leere Getränkedose aus, verliert man Zeit und Geld und riskiert in Kriegsgebieten zudem, beschossen zu werden.


Bessere Minen-Erkennung durch Vollpolarimetrie und Multistatik


Forschende am Fraunhofer FHR arbeiten daher daran, die Qualität der erhaltenen Daten zu erhöhen und die Falsch-Positiv-Rate deutlich zu senken. Möglich machen soll es ein vollpolarimetrischer und multistatischer Radarsensor. Bei einem gewöhnlichen Radar kommen linear polarisierte Radarwellen zum Einsatz – Wellen also, die nur in einer Ebene schwingen. Treffen diese auf ein Objekt, etwa eine Mine im Boden, ändert sich die Schwingungsebene je nach Geometrie des Objekts. Ein vollpolarimetrisches Radar kann sowohl im Sende- als auch im Empfangszweig mit zwei Polarisationen arbeiten. Hierdurch lassen sich die Änderungen der Polarisation bestimmen und geometrische Merkmale wie Ecken und Kanten extrahieren. Damit könnte künftig besser zwischen gefährlichen und nicht-gefährlich Objekten unterschieden werden. Die Auflösung des vollpolarimetrischen Radars liegt derzeit bei vier bis fünf Zentimetern.


Die Multistatik setzt dagegen auf eine Vielzahl von Antennen: Wird üblicherweise mit einer Antenne ein Signal ausgesendet und das reflektierte Signal mit einer anderen Antenne wieder aufgefangen, nutzt man bei der Multistatik mehrere Empfangsantennen. Der Vorteil: Jede Antenne »schaut« in einem etwas anderen Winkel auf die Umgebung respektive den Boden – man erhält mehr Daten, womit auch die Erkennungswahrscheinlichkeit für Minen ansteigt.


Erste Messkampagne erfolgreich


Am Fraunhofer FHR wurde zunächst eine kleine Antennenzeile aus sechs Antennen mit jeweils zwei Polarisationsebenen gebaut – selbst mit dieser kleinen Anlage erhält man bereits 144 Empfangskanäle. In einer Messkampagne wurde das Radarsystem einer ersten Prüfung unterzogen: In einer Halle bauten die Forschenden im Herbst 2023 einen »Sandkasten« auf, im dem sie unter anderem den Dummy einer Personenmine, 12 Zentimeter im Durchmesser und ohne jeglichen Metallanteil, als auch Schrauben und Patronenhülsen vergruben. Die Mine war auf den Radarbildern gut zu sehen. Was die Schrauben anging, so sind diese mit üblichem Radar kaum von der Landmine unterscheidbar, schließlich liegt die Auflösung bei vier bis fünf Zentimetern und damit über der Größe einer Schraube. Doch punktete hier die Polarimetrie: Da verschiedene Geometrien der Objekte die Schwingungsebene unterschiedlich verändern, ist ein deutlicher Unterschied zwischen den kantigen Schrauben und den flachen Minen erkennbar – eine zusätzliche Information, die sich für die Suche nach Sprengkörpern ausnutzen lässt. Im Sommer 2024 ist eine weitere Messkampagne geplant, auf einer Testfläche der Bundeswehr.