INTELLIGENTE ELEKTRONISCHE GEGENMAßNAHMEN (ELoGM) GEGEN MODERNE RADAR-SYSTEME
Die Einleitung geeigneter Gegenmaßnahmen gegen feindliche Radare stellt sowohl für symmetrische als auch asymmetrische Konflikte eine große Herausforderung dar. Bei der Elektronischen Kampfführung (EloKa) hat sich das Fraunhofer FHR über Jahrzehnte eine enorme Kompetenz insbesondere bei den elektronischen Gegenmaßnahmen (ELoGM) aufgebaut.
Die Erforschung und Entwicklung »unkonventioneller« Radare schreitet zunehmend voran, so dass deren Einsatz in zukünftigen Gefährdungsszenarien immer wahrscheinlicher wird. Ein »unkonventionelles« Radar besitzt spezielle technische Eigenschaften, die derzeit noch keinen weitverbreiteten Einsatz finden. Dazu gehören neben mono-, bi- und multistatischen Radaren auch passive, adaptive (aktive) und kognitive Systeme sowie Low-Power-Radare (LPR), Radare mit arbiträrer oder zufälliger Wellenform (Rauschradare) und Radar-Netzwerke.
Die Wissenschaftler des Fraunhofer FHR verfügen über eine herausragende Kompetenz in der Entwicklung unkonventioneller Radare sowie entsprechender Demonstratoren für geeignete elektronische Aufklärungs- (ELoUM) und Gegenmaßnahmen (EloGM). Im Sinne der Philosophie »erschaffen, um zu lernen« entwickeln sie Radare, wie z. B. Rausch-Radare, Passiv-Radare mit Fremd-Beleuchtern, statische und bewegte multistatische Radare, LPR, multifunktionale RF Systeme und Radar-Netzwerke. Zudem liegen umfassende Kenntnisse über die Komplexität entsprechender intelligenter EloGM vor. Dabei haben die Wissenschaftler stets zukunftsrelevante Themen im Blick und pflegen eine enge Zusammenarbeit mit nationalen sowie NATO-Verbündeten, um zukünftigen komplexen Bedrohungsszenarien effizient begegnen zu können. Die nationale und internationale Relevanz der Forschungsarbeiten in den Bereichen EloGM und unkonventionelle Radare werden im Rahmen zahlreicher Forschungsaktivitäten unter Beweis gestellt. Vertreter des Fraunhofer FHR leiten gemeinsame NATO- und EU-Forschungsgruppen unter anderem zu den Themen EloGM, Passiv-Radar auf bewegten Plattformen und Synchronisation von Radar-Netzwerken.
Im Folgenden werden verschiedene Beispiele für intelligente EloGM gegen unkonventionelle Radare vorgestellt.
EloGM gegen passives Radar
Beim passiven Radar werden verfügbare Fremdbeleuchter wie z. B. Rundfunk oder Satelliten zur Zieldetektion genutzt, d. h. Sender und Empfänger sind räumlich getrennt. Passives Radar ist im militärischen Bereich von enormer Bedeutung und wird voraussichtlich ein zentrales Element in der Verteidigungsinfrastruktur der Zukunft sein. Daher ist die Erforschung geeigneter EloGM von essentieller Bedeutung. Dies stellt eine große Herausforderung dar, da man die Position der Empfänger i.d.R. nicht kennt und demnach das Störsignal nicht in bestimmte Richtungen aussenden kann. Forscher des Fraunhofer FHR haben in Zusammenarbeit mit Partnern Techniken entwickelt, um intelligente Störverfahren gegen Passiv-Radare weitestgehend unabhängig von deren exakter Position einsetzen zu können. Beispielsweise ist es möglich, die Detektionsfähigkeit der Radare vollständig zu verhindern, indem das EloGM-System ein leistungsschwaches Signal aussendet (vgl. Abbildung 3). Viele Passiv-Radare nutzen zudem OFDM-basierte (Orthogonal Frequency Division Multiplex) Wellenformen. Mit einer differenzierten Manipulation der Pilot- und Trägersignale kann hier die Zieldetektion unterdrückt oder ein Täuschziel generiert werden. Abbildung 2 zeigt ein Beispiel für die Manipulation des OFDM-Trägersignals.
EloGM gegen aktive Radare mit hohem Zeit-Bandbreite-Produkt
Um die Erfassung eigener Plattformen durch Radare mit hohem Zeit-Bandbreite-Produkt (z. B. LPI-Radare) zu verhindern, sind Rauschstörer häufig ineffektiv. Eine Optimierung kann durch Ausnutzung des Matched-Filtergewinns erzielt werden. Hierzu erfolgt zunächst eine Parameterschätzung des Radarpulses durch geeignete EloUM-Systeme. Für die Schätzung der Signalparameter können neue Verfahren aus dem Bereich »Machine Learning« verwendet werden. Beispielsweise kann zur Bestimmung der Modulation die Zeit-Frequenz-Darstellung (z. B. Auto-Ambiguitätsfunktion) des Empfangssignals berechnet werden. Diese wird anschließend durch ein »Convolutional Neural Network« klassifiziert. Mit den daraus gewonnenen Signalparametern kann durch die Generierung zahlreicher synthetischer Falschziele das Radar gestört werden.
Am FHR wurden anspruchsvolle Breitbandempfänger entwickelt, um verschiedene Bedrohungsradare zu erfassen. Ein Hardware-Beispiel ist in Abbildung 1 dargestellt.
EloGM gegen kognitive Radare
Mit fortschreitender Digitaltechnik werden sich in Zukunft die Radarbedrohungen durch Anwendung neuer Signalformen oder Techniken immer schneller ändern. D.h. geeignete Gegenmaßnahmen müssen in vergleichbaren Zeiträumen angepasst werden, um effektiv einsetzbar zu sein. Zukünftige Systeme zur elektronischen Kampfführung werden auf rekonfigurierbarer Hardware und Software beruhen, so dass neue Radarbedrohungen während des Einsatzes entdeckt und charakterisiert werden können. Anschließend werden mit möglichst minimaler Reaktionszeit entsprechend effektive Gegenmaßnahmen abgeleitet. Der Lern- und Anpassungsprozess der nun flexiblen Bedrohungsbibliothek erhält hierfür eine Rückkopplung zur Überprüfung der Effektivität der Maßnahme und zur unmittelbaren Anpassung und Optimierung der anzuwendenden Störtechnik.