»Adleraugen-Radar«: Schnellste Blickrichtungswechsel im Überflug
Hochauflösende Abbildungen, obwohl sich Radargerät sowie Ziel bewegen? Schnelle Wechsel der Blickrichtung? Möglich machen soll es ein neuartiges Radargerät.
Ein Adler erreicht mit seinem Auge ein sehr hohes Auflösungsvermögen – selbst im Flug kann er die Bodengegebenheiten bestens im Blick behalten und äußerst schnell interpretieren. Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer FHR arbeiten derzeit daran, diese Leistung technisch nachzuempfinden: Mit einem Radargerät, das – an einem Flugzeug befestigt – den Boden nicht nur starr beobachten kann, sondern wie der Greifvogel über ein agiles Blickfeld mit hoher räumlicher Auflösung verfügt. So soll es seinen Blickwinkel schnell ändern können, um interessante Szenarien näher in Augenschein zu nehmen. Welche das sein können, soll zukünftig ein ebenfalls zu entwickelnder Algorithmus entscheiden.
Hohe Auflösung und gleichzeitig Änderung der Blickrichtung
Das Ziel: Ein multifunktionales Radar, das Bodenszenen mit hoher Auflösung scannen, sich darin bewegende Ziele entdecken, sie mit hoher Genauigkeit nachverfolgen und dazu die Sende- und Empfangskeule innerhalb von Mikrosekunden und äußerst präzise schwenken kann. Während klassische Radare zur Bodenbeobachtung hauptsächlich im X-Band arbeiten, setzen die Forscherinnen und Forscher bei dem neuen Radar auf das Ka-Band, dessen Frequenzen etwa um den Faktor vier höher liegen als im X-Band. Dazu kombinieren sie ein Synthetisches Apertur-Radar, kurz SAR, mit der Fähigkeit der Bewegtzielentdeckung und -verfolgung (GMTI). Dazu sind hohe Systembandbreiten nötig: Denn erst diese ermöglichen eine hohe Auflösung bei abbildenden Betriebsmoden – bereits jetzt liegen die erreichten Bodenauflösungen unter zwei Zentimetern mal zwei Zentimetern. Eine Herausforderung: Insbesondere bei Änderungen der Blickrichtung – die ja ein agiles Blickfeld ausmachen – treten bei hohen Signalbandbreiten Qualitätseinbußen auf, wobei der Radarstrahl von seiner eigentlichen Blickrichtung abweicht. Man spricht dabei auch von frequenzabhängigen Phasenverzerrungen oder Squint-Effekten. Neue Methoden in der Hardwareentwicklung können diese unerwünschten Effekte verhindern. Die entsprechenden Komponenten des Radarsystems, insbesondere im Antennen-Frontend, müssen so aufgebaut werden, dass eine trägheitslose, elektronische 2D-Strahlschwenkung möglich ist – der Strahl sich also mit höchster Genauigkeit sowohl horizontal als auch vertikal steuern lässt. Die Forscherinnen und Forscher wollen somit eine verzerrungsfreie Signalausbreitung in die verschiedenen Richtungen gewährleisten. Weitere Herausforderungen liegen in der Optimierung des Signal-Rausch-Abstandes und der zu erzielenden Reichweite – auch diese Punkte optimiert das Forscherteam im Rahmen des Projekts.
Klein und leicht
Ein weiterer Aspekt – und die Intention, warum das Radargerät im Ka-Band arbeitet: Klassische X-Band-Radare sind vergleichsweise groß. Das Ka-Band ermöglicht verkleinerte und leichtere Antennen und Sensoren. Die Größe der Antennenapertur – also die Fläche, die Energie in den Raum abstrahlt – lässt sich durch den Übergang vom X-Band in das Ka-Band um 90 Prozent reduzieren. Wichtig ist das speziell beim Einsatz der multifunktionalen Radarsensoren auf kleinen bewegten luftgestützten Plattformen wie Leichtflugzeugen und Drohnen, oder zukünftig auch in Verbünden von luftgestützten Plattformen, die in Schwarmanordnung Szenarien aus unterschiedlichen Richtungen beobachten. Zudem arbeitet das Forscherteam daran, die Abmessungen des restlichen Systems (Backend) an die verkleinerte Antennenapertur anzugleichen. Dies erfordert primär eine kompakte Gestaltung der Elektronik. Dabei stellen sich unter anderem auch Fragen der Wärmeentwicklung und des Thermalmanagements – schließlich wird Wärme aus kleinen Volumina schlechter abgeleitet. Entsprechende Konzepte dazu werden ebenfalls im Projekt untersucht.
Grundlegend für eine solche Volumenreduktion sind integrierte Hochfrequenzchips für das Ka-Band und kompakte Aufbautechniken – bei gleichzeitiger Leistungssteigerung. Eine besondere Herausforderung liegt in der erhöhten Freiraumdämpfung für eine Signalausbreitung im Ka-Band gegenüber der im X-Band, welche die Reichweite des Radars bei gleicher Systemleistung reduziert. Wie lässt sich diese in ähnlichen Größenordnungen halten? Hier kommt wiederum die volumenreduzierte Sensorik ins Spiel: Da sich mehr Antennenelemente auf kleinerer Fläche unterbringen lassen, steigt die abgestrahlte Leistung pro Fläche – was dazu beiträgt, die Einbußen in puncto Reichweite zu kompensieren. Zusätzlich hilft auch das deutlich erhöhte Reflexionsvermögen von Bodenstrukturen während einer Beleuchtung mit Ka-Band Signalenergie, den Abstand zwischen Zielgebiet und Radar zu erhöhen. Auf der technischen Seite haben die Forscherinnen und Forscher bereits die Prototypen der Array-Module des Systems entwickelt, auch die Testumgebungen sind schon realisiert. Derzeit arbeiten sie am Aufbau eines Phased-Array Demonstrators, und in einem nächsten Schritt soll die Serienfertigung der Frontendkomponenten folgen.
Interessant auch für die Kommunikation
Was die Anwendungen angeht, so eignet sich das neue Radar vor allem für die Erkundung von Bodengegebenheiten aus der Luft – schließlich liegt eine abbildende Anwendung aufgrund der hohen Auflösungsfähigkeit im Fokus. Doch behalten die Forscherinnen und Forscher auch andere Anwendungen im Blick: So lässt sich die Art der elektronischen Strahlrichtungssteuerung beispielsweise auch für Kommunikationssysteme verwenden. Interessant ist dies insbesondere für künftige elektronisch schwenkende Breitbandantennen, die die Breitbandkommunikation zwischen Boden und Satelliten sicherstellen. Oder auch für die Kommunikation eines Flugzeuges mit dem Boden, etwa über einen Satellitenlink: Über kompakte Elektronik, die beispielsweise im Rumpf untergebracht ist, hätte ein kombiniertes Kommunikations- und Radarsystem des Flugzeugs wechselweise verschiedene Satelliten im Blick, die über den Himmel verteilt sind – auch hier sind immer wieder sehr schnelle Änderungen des Blickwinkels vonnöten. Schnell schwenkbare agile Blickrichtungswechsel der Beobachtungsantennen sind ebenfalls gefragt, wenn der Luftraum vom Boden aus überwacht werden soll. Ein mögliches Szenario ist ein Drohnenradar zur Erhöhung der Sicherheit an einem Flughafen. Die Untersuchungen, die das Forscherteam im Projekt durchführt, liefern quasi die Vorarbeit zu neuartigen Anwendungen von Radaren für und mit Kommunikationsaufgaben.