Sichere Start- und Landebahnen
Flugzeuge werden bei Starts und Landungen stark beansprucht. Häufig verlieren sie dabei Bauteile, die den nachfolgenden Verkehr gefährden können. Bislang kontrolliert das Flughafenpersonal die Rollbahnen ohne technische Hilfe ein fehleranfälliges Unterfangen. Ein neues Radarsystem soll künftig die Sicherheit an Flughäfen erhöhen.
Zwar ist es mehr als zehn Jahre her doch an den Absturz der Concorde erinnern sich wohl die meisten noch heute die Fernsehbilder vom brennenden Heck des Überschallfliegers haben sich eingeprägt. Ein auf der Startbahn liegendes Metallstück hatte den Unfall verursacht. Beim Überfahren des Teils platzte der Reifen des Flugzeugs, die herumfliegenden Trümmer trafen den Treibstofftank, der sofort explodierte 113 Menschen starben. Um solche Unfälle zu vermeiden, fährt das Flughafenpersonal im Abstand von rund sechs Stunden die Rollfelder ab und prüft, ob dort Gegenstände liegen. Doch die Kontrolle der riesigen Areale ohne technische Hilfsmittel ist zeitaufwändig und fehleranfällig, vor allem bei Schlechtwetterlagen etwa wenn Nebel die Sicht erschwert. Auch sind die Kontrollintervalle zu groß, die Überwachung müsste permanent erfolgen. Ein neues wetterunabhängiges Sicherheitssystem soll daher künftig die Start- und Landebahnen kontinuierlich auf Fremdkörper prüfen und bei Gefahr Alarm auslösen. Forscher der Fraunhofer-Institute für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR und für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE entwickeln das neue System gemeinsam mit der Uni Siegen, der PMD Technologies GmbH und der Wilhelm Winter GmbH im Projekt LaotSe kurz für »Flughafen-Start- und Landebahnüberwachung durch multimodale, vernetzte Sensorik«. Das NRW-Innovationsministerium fördert es mit 2,7 Millionen Euro. »Mit unserer Technik hätte das Concorde-Unglück vermieden werden können«, sagt Projektleiter Dr. Helmut Essen vom FHR in Wachtberg. »Entlang der Rollbahn installierte Geräte scannen pausenlos die Pisten und spüren selbst kleinste Gegenstände wie Schrauben auf. Dabei schlägt das System nur Alarm, wenn sich ein Objekt über einen längeren Zeitraum auf dem Rollfeld befindet. Eine herumwehende Plastiktüte oder ein Vogel, der sich kurz niederlässt, lösen keine Warnung aus.«
Das System setzt sich aus einer Infrarotkamera, optischen 2-D/3-D-Kameras und vernetzten Radarsensoren zusammen, letztere haben die Forscher am FHR entwickelt. Diese drei Sensortypen ergänzen sich: Das Radar arbeitet tageszeit- und wetterunabhängig. Es kann Objekte zwar aufspüren, aber nicht identifizieren. Kameras eignen sich eher, Gegenstände zu klassifizieren, sie werden jedoch vom Wetter und der Tageszeit beeinflusst. Detektiert der Radarsensor also einen Gegenstand, so signalisiert er den Kameras genauer »hinzuschauen«. Sämtliche Sensordaten werden anschließend mithilfe einer eigens vom FKIE entwickelten Software zusammengeführt und zu einem Lagebild kombiniert. Sensordatenfusion nennen die Experten vom FKIE diesen Vorgang.
Ändert sich der Normalzustand des Lagebilds, wird der Fluglotse im Tower informiert. Er kann dann am Bildschirm kontrollieren, ob tatsächlich Gefahr besteht und den Flugverkehr gegebenenfalls stoppen. »Unsere Lösung ist ein Assistenzsystem, letztendlich entscheidet immer das Flughafenpersonal über die weitere Vorgehensweise»«, betont Dr. Wolfgang Koch, Abteilungsleiter am FKIE.
Zwar gibt es bereits ähnliche Radarentwicklungen, diese arbeiten jedoch nur mit 94 GHz. Sie erkennen lediglich metallische Fremdkörper und weisen eine hohe Fehlalarmquote auf. Da sie auf hohen Masten montiert sind, können sie außerdem bei einem Flugzeugunglück leicht beschädigt werden. »Unser Radarsensor sendet mit einer Frequenz von 200 GHz, er erkennt daher sogar nur ein bis zwei Zentimeter große Fremdkörper. Durch den Einsatz von drei verschiedenen Sensortypen lassen sich Falschmeldungen quasi ausschließen. Das Gerät ist miniaturisiert, es scannt im 360-Gradwinkel eine Länge von etwa 700 Metern ab«, erläutert Dr. Essen die Vorteile gegenüber existierenden Systemen.
Bereits diesen Herbst starten erste Tests mit einem Radarsensor und einer Kamera am Flughafen Köln-Bonn. Bis zum Projektende im April 2012 sind weitere Tests mit mehreren Demonstratoren geplant.