Fraunhofer-Forscher beobachten den Wiedereintritt des Satelliten ROSAT in die Erdatmosphäre
Seit Beginn der Weltraumfahrt hat die Anzahl menschengemachter Objekte, die die Erde umkreisen, rasant zugenommen. Die wenigsten davon werden aktuell genutzt: Man zählt heute etwa 900 aktive Satelliten. Um ein Vielfaches höher ist die Zahl der Raumfahrttrümmer: Ausgebrannte Raketenstufen, Bruchstücke von explodierten Raumfahrtobjekten oder ausgediente Satelliten wie ROSAT. Diese etwa 20 000 Gegenstände mit einer Mindestgröße von zehn Zentimetern bewegen sich in der Erdumlaufbahn und gefährden nicht nur die aktiven Satelliten im Weltraum: Wie im Fall des 2,4 Tonnen schweren Ex-Satelliten können Teile, die nicht in der Atmosphäre verglühen, auf die Erde auftreffen.
Um den Weltraumschrott und seine Auswirkungen zu beobachten, haben sich die wichtigsten Raumfahrtorganisationen im Inter-Agency Space Debris Coordination Committee (IADC) vernetzt. Hier werden Messdaten von allen Stationen, die es weltweit gibt, zusammengetragen und ausgewertet. In Europa ist die Großradaranlage TIRA mit einem Spiegeldurchmesser von 34 Metern als einziges Instrument in der Lage mit seinem Verfolgungs- und Abbildungsradar die Wiedereintrittsphase des Satelliten zu erfassen und zu vermessen. Mit dem Verfolgungsradar kann ROSAT tageslicht- und wetterunabhängig entdeckt und beobachtet werden. Zudem erkennen die Forscher anhand der Radarbilder und -videos, ob sich bereits Teile gelöst haben oder sich die Taumelbewegung geändert hat. Denn Änderungen von Größe oder Gewicht sowie eine andere Eigenbewegung wirken sich auf Flugbahn des Satelliten aus. Die vom Team am FHR berechneten Bahndaten sowie aus Radarabbildungen gewonnene Informationen fließen in die weltweite Datensammlung ein und dienen als Grundlage für die Wiedereintrittsprognose.
Das deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR war für die Mission von ROSAT verantwortlich und begleitet auch jetzt den Wiedereintritt. Mit diesem ist nach aktuellen Schätzungen am kommenden Wochenende, 22./23. Oktober, zu rechnen - zwischen Samstag Morgen 5 Uhr und Sonntag Abend 23 Uhr.
»Wo genau der Satellit abstürzt, ist aber noch völlig unklar« erklärt Dr. Klemens Letsch vom FHR. »Denn obwohl es weltweit Mess- und Beobachtungstationen gibt, fehlen noch viele Daten und das Wissen über Ursachen und Wirkungen bei so einem Wiedereintritt. Es spielen viele Faktoren dabei eine Rolle. Zum einen umkreist er in nur 90 Minuten die Erde, das heißt im vorgegebenen Zeitraum sind das noch etwa 28 Umrundungen. Außerdem beeinflussen Eigenbewegung und Größe des Satelliten die Wiedereintrittsbahn ebenso wie die Sonnenaktivität. Man weiß etwa 6 bis 10 Stunden vor dem Auftreffen, welche Bahn die Trümmer nehmen und kann dann eine Reihe von Orten mit hoher Wahrscheinlichkeit ausschließen. Das Wiedereintrittsgebiet lässt sich aber erst etwa 60-90 Minuten vorher ausreichend genau bestimmen. Die Daten, die wir jetzt ermitteln, können zur weiteren Verbesserung der Prognoseverfahren genutzt werden«.
Das Fraunhofer FHR forscht schon seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der Weltraumbeobachtung mit Radar. Die Expertise der Wissenschaftler und die Großradaranlage sind weltweit gefragt. So war das Fraunhofer FHR 2001 maßgeblich bei der Überwachung des Wiedereintritts der russischen Raumstation MIR beteiligt, ebenso wie beim Absturz des amerikanischen Satelliten UARS in den Pazifik am 23. September 2011.
Aktuell 25.10.2011: ROSAT über Golf von Bengalen in Erdatmosphäre eingetreten
Am 23.10.2011 um 03.50 Uhr MESZ (01.50 UTC) ist der deutsche Forschungssatellit ROSAT über dem Golf von Bengalen wieder in die Erdatmosphäre eingetreten. Ob Teile die Erdoberfläche erreicht haben ist nicht bekannt. Die Bestimmung des Wiedereintrittsortes erfolgte auf Basis und nach Auswertung der von den internationalen Partnern, insbesondere den USA, zur Verfügung gestellten Daten, so das DLR. Über Europa wurde ROSAT zuletzt am 22.10.2011 gegen 18 Uhr in ca. 140 km Höhe von der Großradaranlage TIRA vermessen.