Lawinenüberwachung mit Passivradar
Für Sicherheit im Gebirge müssen Lawinen zuverlässig überwacht werden. Eine Machbarkeitsstudie des Fraunhofer FHR zeigt die Vorteile von Passivradar gegenüber bestehenden Kontrollmöglichkeiten. Hilfreich dabei sind die neuen Satelliten-Megakonstellationen.
Fällt Schnee en masse vom Himmel oder klettern die Temperaturen schnell nach oben, heißt es in manchen Gebieten: Lawinengefahr! Um das Risiko für Mensch und Infrastruktur zu bannen, werden mitunter kontrollierte Sprengungen eingesetzt – so donnern die Schneemassen quasi mit Vorhersage und auf geplantem Weg ins Tal. Doch wurde die Lawine wie gewünscht ausgelöst? Dafür ist eine Bestätigung erforderlich. Auch was natürliche Lawinen angeht, ist das Monitoring entscheidend für die Sicherheit der Gesellschaft. Vielfach kommen dazu Radartechnologien zum Einsatz: Sie erlauben eine kontinuierliche Fernüberwachung bei allen Wetterbedingungen. Die Schwierigkeit: Lawinen ereignen sich meist in abgelegenem Gelände, in dem keine terrestrische Infrastruktur vorhanden ist.
Starlink und Co. als Signalgeber
Passives Radar ist daher wie geschaffen für die Lawinendetektion. Im Gegensatz zu üblichem Radar sendet dieses System nicht selbst elektromagnetische Energie aus, sondern nutzt die Signale von Rundfunk oder Mobilfunk. Die Vorteile: Gute Verfügbarkeit, geringe Kosten, einfache Installation, die Möglichkeit, ohne Sendelizenzen betrieben zu werden, und die Möglichkeit, dank der Bewegung der Satelliten auch von einem stationären Empfänger aus ein bistatisches Radar mit synthetischer Apertur (SAR) zu erzielen. Doch gibt es auch hier ein Manko – in abgelegenen Bergregionen stehen vielfach keine Rundfunksignale zur Verfügung. Im Projekt SLIDE, kurz für »FSS-constellations for avalanche detection with passive radar«, setzt das Fraunhofer FHR daher auf die Signale satellitengestützter Beleuchtungssysteme, etwa die Megakonstellationen Starlink und OneWeb mit festen Satellitendiensten (FSS). Schließlich beleuchten dabei mehrere Satelliten die Bergregionen gleichzeitig – aus verschiedenen Beobachtungswinkeln.
Doch lassen sich diese Satellitenkonstellationen für die Lawinenerkennung nutzen? Dieser Frage gingen die Forschenden des Fraunhofer FHR im Auftrag der ESA-ESTEC in einer Machbarkeitsstudie nach. »Anhand der topographischen Daten eines Berges haben wir eine Simulationsumgebung entwickelt, in der wir Lawinen simuliert und analysiert haben, ob diese mit Hilfe der Starlink-Signale erkennbar sind«, erläutert Dr. Diego Cristallini, Gruppenleiter Passiv Radar im Bereich MFR. Um die vielversprechenden Simulationsergebnisse auch praktisch überprüfen zu können, detektierten die Forschenden mit ihren Passiv-Radarsystem zudem kleine kontrollierte »Erdlawinen« in einer ehemaligen Basaltmine am Rhein nahe Remagen. Die Mine soll wieder mit Erde zugeschüttet werden – die Lawinen entstehen, wenn ein Bagger seine Ladung in das bisher noch klaffende Loch schüttet. »Sowohl die Simulationen als auch der Praxistest zeigen«, fasst Cristallini zusammen, »dass sich passives Radar mit Signalen aus Satelliten-Megakonstellationen gut eignet, um Lawinen zu detektieren.«