Materialcharakterisierung von Lacken
Wie beeinflussen Lackschichten auf Kunststoffbauteilen Radarwellen? Elementar ist diese Frage bei Radarsensoren, die im Auto hinter Stoßfängern oder anderen Karosserieteilen verbaut sind. Das Fraunhofer FHR liefert Antworten.
Radarsensoren sorgen in Fahrzeugen für eine erhöhte Sicherheit, indem sie den Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmern und deren Geschwindigkeit relativ zum Fahrzeug messen. Dazu senden sie Radarwellen aus, die beispielsweise von Fahrzeugen oder Fußgängern reflektiert und zum Sensor zurückgeworfen werden – und die Basis für Abstandsregelungs-, Spurwechselassistenz- oder Kollisionswarnungssysteme bilden. In vielen Fällen sind diese Sensoren unsichtbar hinter dem Fahrzeugemblem verbaut. Aus Designgründen werden die Sensoren der Assistenzsysteme zunehmend hinter Kunststoffanbauteilen wie den Stoßfängern oder den Heck- oder Seitenverkleidungen verbaut. Die Herausforderung dabei: Der lackierte Kunststoff reflektiert, dämpft und streut die Radarwellen. Dabei lässt sich der Einfluss des millimeterdicken Kunststoffs recht gut ermitteln. Die Auswirkungen der verschiedenen mikrometerdünnen Lackschichten auf die Radarwellen sind allerdings sehr schwierig zu analysieren und erfordern präzise Messtechnik.
Untersuchung im E-Band und im D-Band
Forschende des Fraunhofer FHR haben im Auftrag der BASF Coatings GmbH nun ein System entwickelt, mit dem sich die dielektrischen Materialparameter der verschiedenen Lackschichten und damit ihre Einflussnahme auf die Radarwellen exakt bestimmen lassen. »Kennt man die Lackparameter, kann man z.B. die Dicke des lackierten Kunststoffbauteils oder die Lackrezeptur so auslegen, dass die Radarwellen möglichst wenig beeinflusst werden«, erläutert Dr.-Ing. Thomas Bertuch, Gruppenleiter am Fraunhofer FHR. Über eine Marktrecherche ermittelten die Forschenden zunächst, welche Verfahren sich zur Messung der dielektrischen Parameter einer Lackschicht am besten eignen. Die Entwicklungsherausforderung lag vor allem darin, die zugekauften Komponenten in eine mechanische Messhalterung zu integrieren, in der mehrschichtig lackierte Materialproben zuverlässig untersucht werden können. »Da jede Bewegung der Kabel und des Messaufbaus Messfehler hervorrufen, die Anlage zur täglichen Kalibrierung jedoch verstellt werden muss, erforderte dies einen sehr ausgefeilten Aufbau – bei dem gleich drei Teams aus dem Fraunhofer FHR ihre Kompetenzen einbrachten«, sagt Bertuch. Eine weitere Herausforderung lag in der Entwicklung der Auswerte-Software, über die sich die Materialparameter der Schichten bestimmen lassen.
Mittlerweile werden bereits zwei Anlagen bei der BASF Coatings GmbH am Standort Münster-Hiltrup eingesetzt: Eine misst den Einfluss der Lackschichten auf Radarstrahlung im E-Band zwischen 60 und 90 Gigahertz, die andere im D-Band bei 110 bis 170 Gigahertz.